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Grenzen und Räume

Astrid Brünners künstlerisches Schaffen ist in stetiger Bewegung begriffen. Malerei, Performance, Tanz, Aktion – die Disziplinen, in denen sie sich als Künstlerin bewegt, fließen frei, ohne feste Grenzziehungen, ineinander. Sie gestaltet fluide Übergänge – formal und inhaltlich. Die Linien, die Astrid Brünner zieht, zieht sie bewusst, mit der Intention, sie im Werkprozess erneut zu verhandeln und infrage zu stellen. Selbst vorgegebene, temporäre Einfassungen, wie auf den Boden geklebte Linien, Spuren von Wasser auf Asphalt oder ein ausgerollter Tanzboden, definieren den tänzerischen Bewegungs- und Aktionsraum. Derart beschriebene Situationen eröffnen neue Freiräume, in denen Möglichkeiten performativ formuliert und in Wechselbeziehungen mit anderen Künstler:innen sowie den Rezipient:innen diskutiert als auch in der Auseinandersetzung mit der Umwelt betrachtet werden. Gemeinhin angenommene Grenzen werden offengelegt und Grenzüberschreitungen durch Brückenschläge vollführt. Es sind die Schnittstellen zwischen Malerei, Performance und Tanz, die Brünner interessieren.

Begegnung und Kommunikation

Die in der vorliegenden Publikation enthaltenen künstlerischen Arbeiten sind konzeptionell und in ihrer Entstehung in Reaktion auf ein imaginiertes oder reales Gegenüber ausgerichtet. Sie enthalten zumeist eine partizipative Komponente, eine Einladung zur Begegnung bzw. ein umarmendes Moment. Zentrale Elemente in den malerischen Aktionen und Performances im öffentlichen Raum sind die Schaffung eines Resonanzrahmens, das In-Kontakt-Treten und die daraus entstehenden Verbindungen. Körper treten in Kommunikation. Impulse werden gesendet, aufgenommen, interpretiert und beantwortet. Eigene Empfindungen finden ihren Ausdruck und hinterlassen Spuren – Worte braucht es nicht.

Versuch und Zufall

Astrid Brünners Vorgehensweise lässt sich als experimentell beschreiben. Der Werkprozess gleicht in seiner Disposition einer Versuchsanordnung mit initialen Vorgaben und offenem Verlauf. Das Zufällige und Unvorhersehbare sind Bestandteile des künstlerischen Konzepts. Die Künstlerin arbeitet bewusst mit den Ungewissheiten öffentlicher Aktionen und partizipativer Gestaltungsformen.

Aneignung und Intervention

Ein weiterer Aspekt der Arbeiten im öffentlichen Raum ist die intendierte Intervention. Gewohnte Wahrnehmungs- und Handlungsmuster, wie zum Beispiel die von Passant:innen in städtischen Fußgängerzonen, werden durch die Inanspruchnahme bzw. temporäre Besetzung von Raumabschnitten und deren Umdeutungen durch Performances und Aktionen unterbrochen. Einblicke in Schaufenster werden durch farbige Malschichten verwehrt und das Glas der Fenster erhält als Malgrund eine andere Funktion. Astrid Brünner schafft Momente außerhalb des Erwartbaren. Ihre künstlerische Praxis wirft Fragen auf, spielt mit Erwartungshaltungen und Sichtweisen, indem sie alternative Interpretationsansätze formuliert und Spielräume aufzeigt.

Aktion, Farbe und Raum

Dabei agiert Astrid Brünner als Künstlerin und Medium zugleich und schreibt sich selbst in das Werk ein. In der tänzerischen Bewegung sowie im körperlichen Gestus umschreibt und formt sie einen plastischen Raum, und bildet überdies eine lebendige Plastik aus. Hierbei wählt sie die Farbigkeit ihrer Kleidung mit Bedacht aus. Bereits in ihrer Erscheinung reagiert sie auf die Umgebung, die mitperformenden Künstler:innen und jene Gegenstände, die einen Blickpunkt in ihren Performances darstellen.

Spur, Gestus und Schichtung

In ihrem künstlerischen Schaffen verfolgt Astrid Brünner immer wieder das Motiv der Spur. In den Performances geht sie auf die verschiedenen Spuren ihrer Umgebung ein, reagiert auf Klang, nimmt innere und äußere emotionale als auch körperliche Spuren wahr und interpretiert sie. Im malerischen Gestus hinterlässt sie Spuren, in dem sie den mitunter intensiven körperlichen Prozess des Malens auf den Malgründen einschreibt. Die farbigen, ausdrucksstarken, abstrakten Landschaften erweitert die Künstlerin zudem um das Element der Auslassung. Immer wieder geben die Malschichten Blicke auf darunterliegende Ebenen frei. Auslassungen auf dem bemalten Schaufensterglas lenken den Fokus auf das Verborgene oder Übersehene dahinter und je nach Perspektive binden Spiegelungen im Glas die Umgebung in das Werk mit ein.

Astrid Brünners Arbeiten spielen mit unseren Wahrnehmungskonventionen, regen Verschiebungen unserer Perspektiven an und lehren uns den Wert eines unvoreingenommenen, offenen Blickes.