Introspektion und Präzision
von Susanne Papenfuß
Astrid Brünner zerschneidet wie eine Chirurgin. Manchmal fügt sie an – gewandt und in meisterhafter Technik. Ein anderes Mal ist sie auch Maskenbildnerin. Scheinbar ungerührt, präzise, nüchtern setzt sie sich und Menschen ihres nahen Umfeldes in Brustporträts auf ihren Malereien in Szene. Dabei geht sie introspektiv vor. Sie macht sichtbar, was verborgen ist. Schaut, auch im wahrsten Sinne des Wortes, ins Innere. Konfrontiert den Betrachter mit Nicht-Sichtbarem, Nicht-Ahnbarem. Sei es mit Hilfe eines Querschnitts durch ihren rechten Unterarm, durch eine aufgeschminkte schwarz-weiß gesteifte Maske oder durch zusätzlich applizierte Sinnesorgane.
Die Porträtierten schauen den Betrachter frontal an. Neben den Gesichtern sprechen auch die Hände, die Posen, die Frisuren, die Hautfärbungen, die Umgebung – Bände! Klare Kontraste, kühle Farben fordern die notwendige Distanz zum Betrachter ein. Die realistische Darstellung schafft wiederum eine vertraute Atmosphäre. Da ist jemand wie ich dargestellt!
Rauminterieur ist nur sparsam, wenn überhaupt, vorhanden. Es gibt der Figur Haltung, schafft Halt: der mintgrüne Tisch, die pfingstrosa Wand, die wie mit einer Art Tortenpapier dekorierte Couch. Manchmal werden die Dargestellten durch frontale Beleuchtung aus dem dunklen Hintergrund hervorgeschält.
Der Beobachtungsmodus der Dargestellten fällt auf. Es könnte sich um ein Studieren des Gegenübers handeln, um ein tieferes Schauen, ein reges Analysieren des Rezipienten. Das irritiert, weil es die Rollen vertauscht.
Die Zeichnungen sind Vorstudien, Ideenniederlegungen. Sie zeigen einen klaren, überlegten Strich. Die Idee des Gesichts als Maske taucht hier auf. Die festgehaltenen Gesichter wirken wie überzerrte, idealisierte Darstellungen, wie Theatermasken oder klassische Porträtköpfe. Die Augen einiger dieser Gesichter im Dreiviertelporträt blicken in Richtung des Betrachtenden. Die klassische Rollenverteilung Produzent/Rezipient wird wiederum in Frage gestellt.
Auch die Anfügung zusätzlicher Wahrnehmungsorgane findet sich bereits in den Zeichnungen. Das überdimensionierte Ohr ist über der Brust angebracht, die dargestellte Figur hält die Augen geschlossen, während sie ihren Körper bewegt. Verdopplung der Sinneseindrücke, Konzentration und Verstärkung?
Außerdem ist da der Baum, dessen stilisierte Wurzeln sich in den Haarbüscheln auf dem Kopf eines jungen Mannes fortsetzen. Auch die an ein Knie greifende Hand passt sich an deren Form an, nimmt diese auf. Das Moment des Verbindens und Fortsetzens ist hier elementar.
Die Künstlerin ist auf der Suche. Auf der Suche nach einer äußeren Form für innere Zustände. Für Dinge, die einen Weg nach draußen suchen.
Susanne Papenfuß M.A. studierte Kunstgeschichte, klassische Archäologie, Psychologie und arbeitet in der Abteilung Kultur der Universitäts- und Hansestadt Greifswald.